Allgemein
09.11.2019

Im Dach steckt großes Potential

Sanierung muss sich lohnen – neue Förderprogramme sollen Anreize liefern. Die Gebäudesanierung gehört zu den wichtigsten Hebeln, wenn Deutschland seine angestrebten klimapolitischen Zielsetzungen bis zum Jahr 2050 erreichen möchte. Schließlich ist der Gebäudesektor für rund 40 Prozent der Endenergie und 30 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Dachsanierung zu. Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf. Was muss also geschehen?

Wie groß der Bedarf genau ist, veranschaulicht eine Studie, die Prof. Dr.-Ing. Andreas Holm vom Forschungsinstitut für Wärmeschutz e. V. München im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Ziegelindustrie e. V. im Jahr 2018 erarbeitet hat. Untersucht wurde das wirtschaftliche sowie das energie- und klimapolitische Potential der Sanierung von Steildachkonstruktionen. Dazu wurde der aktuelle Gebäudebestand an Dachkonstruktionen differenziert nach Gebäudetypen und Baualtersklassen in Modellrechnungen abgebildet und die Entwicklung unter Berücksichtigung verschiedener Sanierungsraten und analog zum Zeithorizont der Klimaschutzpolitik bis 2050 prognostiziert.

Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Sanierungsstatus im Dachbereich absolut unzureichend ist. Dabei ist das Potential unter Klimaschutzaspekten immens. Eine moderate Steigerung der Dachsanierungsquote bei Wohngebäuden von derzeit 1,3 auf zwei Prozent in der Nutzungsphase würde bereits eine Reduktion um 49 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente bis 2030 und 94 Millionen Tonnen bis 2050 bewirken.

So verständlich die positiven Folgen für die Umwelt sind, so schwierig ist es für viele aktiv zu werden. Anlass für eine umfassende energetische Dachsanierung ist häufig der Erbfall oder der Kauf einer Immobilie. Damit weder Bauherren noch Nutzer vor den Sanierungskosten zurückschrecken, sind zusätzliche steuerliche Anreize ebenso wie attraktive Fördermöglichkeiten erforderlich.

Stärkung der Förderprogramme

An dieser Stelle muss die Politik dringend nachbessern, will man das politische Ziel von einem nahezu klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050 bei gleichzeitiger Schaffung von ausreichend Wohnraum erreichen. Sanieren muss sich lohnen – nicht nur für die Umwelt, sondern auch für den Geldbeutel der Eigentümer und Bewohner. Das Klimakabinett der Bundesregierung muss jetzt kurzfristig Lösungen präsentieren, um Planungssicherheit für Immobilienbesitzer und Bauherren zu schaffen.

Was fehlt ist eine kluge Neubelebung von Förderprogrammen. Nur so erhält man die Möglichkeit, Synergieeffekte aus der Kombination verschiedener Effizienzmaßnahmen stärker zu nutzen und die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Als Beispiel sei hier die Kombination von Aufdach-Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen im Zusammenhang mit Dachsanierung genannt. 

Dabei ist es wesentlich, dass die Maßnahmen von einer breiten Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden. Auf diese Weise lässt sich die positive Wahrnehmung von Effizienzmaßnahmen aufrechterhalten und die Motivation der Eigentümer steigern. Denn nur wenn Eigentümer wissen, was nötig und möglich ist, können sie es auch umsetzen.

Industrie, Handwerk und Fachhandel arbeiten Hand in Hand

Bei der hohen Zahl sanierungsbedürftiger Dächer ist auch der ökonomische Aspekt nicht zu unterschätzen. Eine maßvolle Erhöhung der Sanierungsquote vorausgesetzt, gehört die Sanierung des Daches zu den wirtschaftlichsten Effizienzmaßnahmen am Gebäude. Hinzu kommt das immense Potential, sowohl für die Industrie, den Fachhandel wie auch das Dachdeckerhandwerk mit einhergehenden positiven Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Besondere Bedeutung kommt der fundierten Beratung der Bauherren zu.

Zahlen rückläufig

Es gibt viel zu tun. Denn Dachsanierungen liegen leider nicht im Trend. Aktuelle Zahlen verdeutlichen die rückläufige Entwicklung: Demnach lag die Anzahl der geförderten Einzelmaßnahmen in den Jahren 2011 bis 2016 zwischen etwa 100.000 und 175.000 Einheiten. Die am häufigsten umgesetzten Einzelmaßnahmen im Bestand waren die Erneuerung der Heizung sowie der Austausch von Fenstern. Demgegenüber machte der Anteil der Sanierungsmaßnahmen der Dächer und Wände nur einen kleineren Anteil aus. Hier ist seit 2013 ein stetiger Rückgang der Förderungen zu verzeichnen.

 

Heizung und Fenster werden saniert. Dächer eher nicht. Grafik: Forschungsinstitut für Wärmeschutz e. V. München
Heizung und Fenster werden saniert. Dächer eher nicht. Grafik: Forschungsinstitut für Wärmeschutz e. V. München

Analog entwickelt sich der Fördermittelabruf. Im Vergleich zur Anzahl der Maßnahmen macht die Summe für Dach und Wand bis 2015 noch etwas mehr als die Hälfte der Fördermittel aus. 2016 ist hier eine Veränderung festzustellen: Die Summen für Fenster und Heizungsmaßnahmen übertreffen seither den Aufwand für Wand und Dach deutlich.

Über zehn Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser benötigen neue Dächer

Dabei ist der Bedarf immens. Von den 15,6 Millionen Ein- und Zweifamilienhäusern in Deutschland sind noch vier Millionen Dächer mit 600 Millionen Quadratmeter Dachfläche nicht gedämmt bzw. erfüllen nur die Anforderungen an den Mindestwäremschutz. Weitere 6,5 Millionen Dächer, das sind rund eine Milliarde Quadratmeter, entsprechen laut der FIW-Studie den energetischen Anforderungen der Wärmeschutzverordnung von 1977 bzw. 1984. Das heißt, auf deutschen Häusern liegt ein sehr hoher Dachflächenanteil, der den heutigen Anforderungen an Energieeffizienz bei Weitem nicht entspricht.

Hinzu kommt, dass 65 Prozent der insgesamt 18,8 Millionen Wohngebäude in Deutschland vor 1979 errichtet wurden. Gemäß einer Untersuchung des Instituts für Wohnen und Umwelt aus dem Jahr 2010 liegt der Modernisierungsfortschritt dieser Bestandsgebäude erst bei ca. 30 Prozent. Überschlägig bedeutet dies, dass in Deutschland bei knapp neun Millionen Altbauten noch keine oder nur geringfügige Verbesserungen des Wärmeschutzes durchgeführt wurden.

Nennenswerte Energieeinsparpotentiale können nur im Bestand erschlossen werden. Selbst wenn das geplante Ziel der Bundesregierung, 1,5 Millionen Wohnungen innerhalb der gegenwärtigen Legislaturperiode erbauen zu wollen, erreicht wird, rechnet die FIW-Studie lediglich mit sieben Millionen Quadratmeter zusätzlicher Dachfläche pro Jahr. Davon entfallen rund ein Viertel auf Ein- und Zweifamilienhäuser, die tendenziell mit Steildächern gebaut werden. Das viel größere Potential liegt daher bei der Modernisierung.

Senkung der Heizkosten und besserer Schallschutz

Will man die Dachsanierung attraktiver machen, so muss dem Eigentümer vermittelt werden, dass eine Sanierung nicht nur ein Pluspunkt in der Klimabilanz ist, sondern auch einen enormen Vorteil für die eigene Wohnqualität bietet. Ein nicht oder nur schlecht gedämmtes Dach stellt oft das größte Energieleck in der Gebäudehülle dar. Entsprechend groß ist das Einsparpotential bei den Energiekosten.

Dachsanierung lohnt sich: Pro Haushalt rechnet man mit einer jährlichen Energieersparnis in Höhe von rund 30 Prozent. Grafik: Bundesverband Ziegel
Dachsanierung lohnt sich: Pro Haushalt rechnet man mit einer jährlichen Energieersparnis in Höhe von rund 30 Prozent. Grafik: Bundesverband Ziegel

Durch die Dachdämmung können die Heizkosten pro Jahr um rund 30 Prozent gesenkt werden. Eine effiziente Dachdämmung schließt die Wärme im Winter im Gebäude ein, im Sommer aus. Gleichzeitig bewirkt eine sinnvoll gewählte Dachdämmung in den meisten Fällen auch eine Verbesserung des Schallschutzes gegen unerwünschten Außenlärm; ein Vorteil, der vielen nicht bewusst ist.

Grundsätzlich gilt beim Schallschutz: je höher die flächenbezogene Masse, desto besser der Schallschutz. Die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an den Wärmeschutz gemäß EnEV bewirkt in den meisten Fällen eine Verbesserung des Schallschutzes um 2 bis 6 dB. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Verbesserung des Schalldämmmaßes um 3 dB für den Nutzer einer Reduzierung des Geräuschempfindens um rund die Hälfte entspricht. Für einen energetischen Mehraufwand zur Erreichung des KfW-Anforderungsniveaus sind sogar bis zu 8 dB Verbesserung des Schalldämmmaßes möglich.