Pressemitteilung
12.09.2024

Back to the roots: Rückbesinnung auf höhere Rohdichten beim Bauen

Berlin, September 2024 – Wie wirken sich die unterschiedlichen Rohdichtewerte von Bauweisen auf den sommerlichen und winterlichen Wärmeschutz aus? Dieser Frage ist das Forschungsteam der TU München mit Beteiligung des Bundesverbands der Deutschen Ziegelindustrie nachgegangen

Mit der Gebäudehülle die Energieeffizienz steuern

Die Baukonstruktion von Wohngebäuden hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Dies gilt insbesondere für die Gestaltung der Gebäudehülle. Ältere Bauweisen orientierten sich vor allem an Aspekten wie dem winterlichen Kälteschutz und dem Feuchteschutz, weswegen zumeist mit dicken Mauern sowie einem reduzierten Fensteranteil gebaut wurde. Heute sind es vor allem gesetzliche Anforderungen hinsichtlich der energetischen Qualität, die die Baukonstruktion prägen. Das liegt unter anderem an dem Umstand, dass sommerlicher Wärmeschutz aufgrund klimatischer Veränderungen auch in hiesigen Breitengraden nun immer wichtiger wird. Das Ziel: Auch bei sommerlicher Hitze sollen Gebäude angenehm temperiert bleiben. In der Entwicklung der energieeffizienten Gebäudehülle wurden in den letzten Jahrzehnte vorrangig Außenwandkonstruktionen mit niedrigeren Wärmedurchgangskoeffizienten errichtet. Dafür wurden massive Wandkonstruktionen angepasst, entweder durch Baumaterialien mit niedrigerer Wärmeleitfähigkeit oder durch Hinzufügen von Dämmschichten. In der Folge der Verringerung der Rohdichte erhitzen sich Gebäude potenziell leichter, da die Speichermasse der Außenwand reduziert wurde.

Studie untersucht Kühlenergiebedarf unterschiedlicher Wandaufbauten

Nun hat die TU München untersucht, wie sich diese Veränderungen bei mehrgeschossigen Gebäudetypen auf den sommerlichen Wärmeschutz auswirken. Dafür wurden die thermischen Speichereigenschaften von unterschiedlichen Baustoffen mit höheren Rohdichten untersucht und mit Leichtbaukonstruktionen in Holzrahmenbauweise verglichen. Es wurden in Simulationen sowohl Szenarien unter winterlichen als auch sommerlichen Bedingungen betrachtet, um den Einsatz der Materialien zukünftig angemessen bewerten zu können.

Die Ergebnisse sollen als Basis für ein Bewertungsverfahren dienen, um standortspezifische Lösungen zu priorisieren. Dafür wurden drei verschiedene Standorte mit unterschiedlichen Klimabedingungen definiert. Als Modellgebäude wurde ein kleines mehrgeschossiges Haus gewählt, das den deutschen Mietwohnungsbau repräsentiert aber auch für Büro- oder Mischnutzungen geeignet ist.

Ergebnis: Im Sommer und Winter gerät der Wärmeschutz in den Fokus

Der Fokus des Forscherteams lag auf der Analyse des sommerlichen Wärmeschutzes. Da aber die thermische Behaglichkeit in Innenräumen unabhängig von der Jahreszeit gewährleistet sein soll, wurde auch der Winter berücksichtigt. Parameter wie Schallschutz und Tragfähigkeit wurden ebenso mit einbezogen wie der Einsatz variierender regenerativer Energiequellen sowie ökobilanzielle Aspekte.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Speichermassen der Gebäudekonstruktion keinen signifikanten Einfluss auf den winterlichen Wärmeschutz haben, während sie allerdings bei zukünftig wärmeren Sommern wichtiger werden, um Überhitzungen zu verhindern. Für die kalte Jahreszeit gilt jedoch, dass bei größeren Außenwandflächen, insbesondere mit Fenstern schlechterer Qualität, der Heizenergiebedarf steigt. Zusätzlich beeinflussen Raumausrichtung und -höhe diesen Bedarf signifikant. Eine Optimierung dieser Parameter allein für den Heizbedarf könnte jedoch im Sommer kontraproduktiv sein.

Sommer, Wärme, Licht – Außenwand und Fenster

Was die Studie offenlegt ist, dass verschiedene Bauweisen unterschiedliche Spielräume in Bezug auf die Fassadengestaltung bieten. Die Wahl der Konstruktion beeinflusst die Leistungsfähigkeit des Gebäudes, insbesondere im Hinblick auf den Sommer und den möglichen Anteil an Fensterflächen. Die Häufigkeit von Überhitzungsereignissen wird maßgeblich durch die Fensterflächenanteile, Sonnenschutzmaßnahmen und die Rohdichte der Baumaterialien in Außenwände beeinflusst, wobei letztere den größten Einfluss hat. Außenwände mit mittlerer und hoher Dichte zeigen zwar keine signifikanten Unterschiede untereinander, können jedoch im Vergleich zu leichteren Konstruktionen Vorteile beim sommerlichen Wärmeschutz bieten. Wohngebäude ohne externe Beschattung sollten daher einen Fensterflächenanteil von etwa 25 Prozent nicht überschreiten. Ein höherer Anteil ohne zusätzlichen Sonnenschutz erfordert entweder eine höhere Dichte der Außenwand oder den Einsatz aktiver Kühlsysteme.

Simulationsrechner als Mittel zur vorausschauenden Planung

Mit der Studie wird ein einfach zu bedienendes Auswahl- und Entscheidungswerkzeug präsentiert, das es Nutzern ermöglicht, die wichtigsten Eigenschaften verschiedener Bauweisen für den sommerlichen Wärmeschutz übersichtlich zu vergleichen. Durch die Kombination von berechneten Ergebnissen mit entscheidenden Kenngrößen werden Zusammenhänge aufgezeigt, die bei der Materialwahl für Bauvorhaben hilfreich sein können.

Das Tool verdeutlicht anhand grafischer Darstellungen die Ergebnisse für den sommerlichen Wärmeschutz unter Berücksichtigung verschiedener Rohdichten von Baustoffen. Durch die Auswahl relevanter Parameter können Nutzer die Auswirkungen auf Übertemperaturstunden und wichtige Entwurfsparameter wie Schalldämmmaß, Wärmedurchgangskoeffizient und Druckfestigkeit nachvollziehen. Dabei zeigt sich, dass insbesondere für zukünftige klimatische Bedingungen die Bauweise eine entscheidende Rolle spielt, insbesondere in Bezug auf Fensterflächenanteil und Sonnenschutz.

Bauen mit Aussicht

Durch das entworfene Tool können Gebäude angepasst an die jeweiligen standortspezifischen klimatischen Kontextbedingungen gebaut werden. Perspektivisch könnten Analysen wie die in diesem Projekt durchgeführten, konkrete Methoden zum einfachen Bauen bieten, die zu einem ganzheitlichen Optimum führen. Zukünftige Bauprojekte können durch eine ausgewogene Kombination verschiedener Ansätze optimal gestaltet werden. Die Kernaussage lautet: Weder aufwendig optimierte Häuser noch energetisch ineffiziente Gebäude sind ideale Lösungen. Stattdessen entstehen optimale Ergebnisse durch die Verbindung moderater technischer Maßnahmen, die einfach zu warten und rückzubauen sind, wie zum Beispiel guter Wärmeschutz, einfache Solaranlagen, natürliche Kühlung und ausreichend nutzbare Speichermassen.

Die vollständige Studie können Sie hier herunterladen.