Pressemitteilung
28.06.2024

Stefan Jungk im Interview mit der WELT

 

Die allgemein düstere Konjunktur macht sicher nicht vor der Ziegelindustrie Halt. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell? 

Allerdings. Die Lage ist angespannt, die Herausforderungen sind vielseitig. Stark gestiegene Bauzinsen, Überregulierung, hohe Grundstückspreise und politisches Förderchaos führten zu allgemeiner Investitionszurückhaltung, insbesondere bei Privatpersonen. Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen fiel im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 26,7 % auf 259.600. Der Einbruch bei Genehmigungen von Einfamilienhäusern (-39,1 %) und Zweifamilienhäusern (-48,3%) war besonders hoch - beides Gebäudearten, bei denen die Ziegelindustrie stark vertreten ist.

Nachhaltigkeit ist im Bauen das Gebot der Stunde. Welchen Beitrag kann der Ziegel hier leisten?
Die kurze Antwort ist: Wir produzieren qualitativ hochwertige, innovative und langlebige Produkte, die bewiesenermaßen so solide sind, dass sie Jahrhunderte überstehen. Eine Studie des FIW München hat jüngst ergeben, dass mehr als zwei Drittel der über 50 Jahre alten Wohngebäude in Deutschland aus Ziegel erbaut wurden. Wir Ziegler bauen mit einem regional gewonnenen Naturprodukt, das mit durchschnittlich 120 Kilometern von Werk bis Baustelle vergleichsweise kurze Transportwege aufweist. Darüber hinaus lassen sich aktuelle Nachhaltigkeitsstandards, die den Förderkriterien zugrunde liegen, mit Ziegelarchitektur problemlos erfüllen. Klimabewusstes Bauen bildet die Ziegel-DNA.


Welche Trends beobachten Sie in Ihrer Branche?
Wir blicken auf über 4000 Jahre Bauen mit Ziegel zurück und konnten uns nur so lange behaupten, weil wir unseren Baustoff stetig weiterentwickeln. Im
Allgemeinen fordert der Markt das serielle Bauen. Je öfter ein Ziegelhaus gebaut wird, desto geringer ist der Planungsaufwand. Dies spart Zeit und Geld. Auch beim modularen Bauen bietet der Ziegel arbeits- und zeitsparende Lösungen. Moderne hochwärmedämmende Hintermauerziegel sind einfach und effizient zu verarbeiten und können ganze Rohbauten in nur wenigen Tagen hochziehen.

Bei den Dachzieglern ist außerdem eine Entwicklung vom Schutzdach zum Nutzdach zu sehen. In Kooperation mit dem Dachdeckerhandwerk entwickelt die Ziegelindustrie integrierte Solar-Lösungen für den Dachziegel – den Solarziegel. Dies verhindert die Beschädigung des Ziegeldachs durch nachträglich aufgesetzte Solarsysteme.


Die Vormauerziegler setzen sich vor allem mit Möglichkeiten der Dematerialisierung – also dem minimierten Ressourceneinsatz - auseinander und haben z.B. den „Sparverblender“ entworfen. Dies sind Klinker oder Vormauersteine, die mit rund 50 mm Tiefe nur etwa halb so breit sind wie übliche Mauersteine.

In der Pflasterklinkersparte gewinnen aufgrund zunehmenden Starkregens versickerungsfähige Flächenbefestigungen an Bedeutung. Hier kommt uns die Materialität des Tons sehr zugute. Klinkerpflaster mit speziell aufgeweiteten Fugen oder Rasen-Gitterziegel sorgen für die Versickerung des Niederschlagswassers. Neben diesen spartenbezogenen Trends ist das Thema Lehm als Ergänzungslösung zum gebrannten Ziegel in punkto Nachhaltigkeit von steigender Bedeutung.

Was wünschen Sie sich von der Politik?
In den fünfziger Jahren warb Ludwig Erhard als Gesicht des Wirtschaftswunders für den Erwerb von Wohn-eigentum. Ein Eigenheim war damals Ausdruck von wirtschaftlichem Aufschwung, Selbstbestimmtheit und finanzieller Eigenverantwortung. Diesen Gedanken müssen wir wiederbeleben. Gerade in herausfordernden Zeiten muss die Politik verlässliche Anreize setzen, damit Wohneigentum wieder für mehr Menschen finanzierbar wird. Klimabewusstes, langlebiges und erschwingliches Wohneigentum ist ein wichtiger Stabilitätsfaktor für sozialen Frieden, der politisch wieder mehr Rückendeckung benötigt. Dafür steht der Ziegel. Die Grundvoraussetzung ist eine gesicherte Versorgung mit sauberer Energie, hierfür muss die Politik heute schon die Weichen stellen – und dabei auch kleinere Industriezweige bedenken.


Wie lautet Ihre Branchenprognose für die kommenden Jahre?
Für die Bauwende brauchen wir technologieoffene Lösungen – wir Ziegler haben bezahlbare, ressourcenschonende und klimabewusste Produkte, die hervorragende Brand-, Schall-, und Wärmeschutzwerte erzielen. Wir sind unerlässliche Wegbereiter zukünftiger Wohnkultur. Am Ende bewährt sich Qualität, daher bin ich zuversichtlich, dass die Talfahrt – wenn auch nicht unmittelbar – für die
Ziegelindustrie enden wird.



Stefan Jungk ist Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie (BVZi). Der BVZi vertritt die wirtschaftspolitischen Interessen von knapp
80 Herstellern von Pflasterklinkern, Vor- mauer-, Hintermauer- und Dachziegeln in Deutschland. Die Branche hat im Jahr 2023 mit etwa 8.500 Beschäftigten einen Umsatz von 1,35 Milliarden Euro erwirtschaftet.

 

28. Juni 2024